Lichtspielhaus Astoria
Richtig gelesen, in Heiligenrode gab es im 20.
Jahrhundert ein echtes Kino. Das „Astoria Lichtspiele“ war in der Kasseler Str.
16 beheimatet und wurde, zusammen mit der Gastwirtschaft Stahl (die es bereits ab 1908 gab), von
der Familie Haupt geleitet. Erster Inhaber war jedoch Herr Warny, der das Kino 1952 eröffnete. Gezeigt wurde "Die verschleierte Maja". Vorstellungen gab es am Dienstag und Sonntag, jeweils um 17.00 Uhr und 20.00 Uhr. Die teuersten Plätze waren die Pärchensitze in der letzten Reihe, sie kosteten damals 90 Pfennig (heute ca. 50 Cent). Der Eintritt konnte übrigens auch mit Naturalien beglichen werden, z.B. einer Ahlen Worscht. Während in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts
in vielen Städten prachtvolle Lichtspielhäuser entstanden, wurden in den
darauffolgenden Jahrzehnten auch kleinere Kinos in den umliegenden Ortschaften
gebaut. Ein letztes Hoch erlebte das Astoria dann wohl in den 60ern, bevor der
Fernseher salonfähig wurde und die kleinen Kinobetreiber langsam verdrängte.
Der Kinosaal existiert leider nicht mehr, doch die Erinnerung an das erste Kino
im Ort bleibt bestehen.
Links die Gaststätte Haupt, früher "Zum Schützenhaus" in 1968. Rechts das Schaufenster des Kinos Astoria Lichtspiele im selben Haus. Zu sehen ein Film mit Burt Lancaster. @Gemeinde Niestetal
Gaststätte "Otten"
Im Umkreis von Tafel 3 finden sich damals wie heute Gaststätten. Das einprägsamste Gasthaus in Heiligenrode war wohl Ottens Gastwirtschaft, welches in der Dorfstraße 22 lag. Das Wirtshaus „bi Otten“ des ehemaligen Bürgermeisters Johannes Otto ist eine Institution und bestand mindestens 200 Jahre. Zu seinen Lebzeiten um 1800 waren zeitweise um die 500 französische Reiter in Privatwohnungen und Gastwirtschaften im Ort untergebracht. Der „Maire“ (franz. für Bürgermeister während der Napoleonischen Zeit) musste daher einige hundert Rechnungen für geleistete Dienste der Einwohnerinnen und Einwohner bearbeiten. Ausgelaugt von der immer gleichen Arbeit, legte er sein Amt schließlich nieder und widmete sich lieber seiner Gastwirtschaft und kleinen Landwirtschaft. Nachfolger wurden sein Schwiegersohn Heinrich Goebel, danach die Familie Umbach und zum Schluss die Familie Goldmann. Mit der Zeit entstanden auch ein Saal und eine Fleischerei.
Die Gaststätte "bi Otten" in der Dorfstraße 22 in verschiedenen Epochen. Links die Gaststätte Goldmann mit Fleischerei aus etwa 1970 (man beachte den Fernseher in der Ecke), rechts daneben die Gaststätte Wilhelm Umbach aus 1906 mit dem alten Eingang. @Gemeinde Niestetal
"Zum deutschen kaiser"
Eine der vergangenen Perlen war die Gastwirtschaft „Zum Deutschen Kaiser“ in der Witzenhäuser Str. 19. Um 1900 war dieses Haus als Wirtschaft, Schlachterei und Kolonialwarengeschäft bekannt. Solch ein Geschäft verkaufte seltene Artikel aus Übersee (wie Tabak, Kakao, Kaffee, Zucker, Tee oder Gewürze), fungierte aber auch als "Tante-Emma-Laden" (Lebensmittelmarkt des täglichen Bedarfs).
Die Gastwirtschaft "Zum Deutschen Kaiser" mit Kolonialwarengeschäft, links daneben die Gastwirtschaft "Zur Linde". Beliebte Ansichtskarte aus 1914. @Verlag v. H. Bringmann
"Kronenwirt", "Zur Linde", "Zum Niestetal" und "Paul"
Weitere Gaststätten aus der Vergangenheit waren zudem „Zur Krone“
(Kronenwirt) in der Breiten Str.
2, die um 1910 auch als Schulsaal genutzt wurde oder auch das Gasthaus "Zur Linde" in der Witznehäuser Str. 17, mit angegliedertem Saal, Garten, beliebter Disco und
Vereinszimmern. Außerdem taucht noch die Gastwirtschaft der Pauls auf, die um
1850 in der Dorfstraße 6 zu finden war und eine Bierstube Hinter der Kirche 1.
Heute am bekanntesten ist wohl das Restaurant & Landhotel „Zum Niestetal“. Die Gaststätte existiert bereits seit mindestens hundert Jahren und gehört fest zum Stammtisch einiger Einheimischen. Mehr dazu auf Tafel Nr. 4 (Mühlen) in der Niestetalstraße.
Das Haus in der einst die Gastwirtschaft "Zur Krone", auch Kronenwirt genannt, in der Breiten Str. 2 war.
@Gemeinde Niestetal
Selbstgebrautes
Sowohl die Witwe des Heinrich Mergard, als auch die Witwe des Georg Mergard hatten die Erlaubnis
(Consens) Branntwein zu brennen. Dafür mussten sie eine jährliche Steuerabgabe
(Akzise) von 19 Talern an den Staat entrichten. Dazu kam noch eine Abgabe für
den Ausschank zu Hause. Eine zweite Schenke dieser Art hatte der Forstläufer Ludwig Scheidemann. Er war nebenbei Tagelöhner und
Hausschlachter, der auch bei Hochzeiten als Koch fungierte. Beim Wirt Johann
George Kannstein konnten die Einwohnerinnen und Einwohner gleich ihre zerrissenen Schuhe
abliefern, denn in seiner Freizeit (Mußestunden) war er Schuster.
Dunkle Vergangenheit
Einige Gastwirtschaften, so wie „Ottens“, mussten Soldaten verschiedener Streitkräfte aus allerlei Epochen beheimaten – so auch der Wehrmacht. Im 1. Weltkrieg waren im Saal des Restaurant „Kreutz“ (heute "Zum Niestetal") englische Kriegsgefangene untergebracht, die am Tag schwer arbeiten mussten. Zwischen 1940 und 1945 waren dort rund 100 belgische und niederländische Zwangsarbeiter untergebracht, die in den Junkerswerken in Bettenhausen Arbeit leisten mussten. Das Gebäude wurde am 30. Juli 1943 bei einem Luftschlag stark beschädigt – sechs Niederländer verloren ihr Leben.
Das Restaurant Kreutz im Nieste-Thal, etwa um 1906. @Atelier Eberth, zur Verfügung gestellt von Rolf Lang
N'Anekdötchen
Zwischen der Erfindung des Fernsehers und dessen Einzug in die deutschen Wohnzimmer, nutzten die Menschen gern den Fernseher der Gaststätten "Goldmann" (oben zu sehen) oder "Zur Linde". Das teure Gerät war ein kleiner, klobiger Kasten und der Bildschirm entsprach etwa der Maße eines DIN-A4-Blattes.
Alternativ können Sie auch zur Dorfstraße zurückkehren und rechts der Dorfstraße folgen, bis Sie zur Witzenhäuser Str. und der Heinrich-Heine-Straße kommen. Auf dem Weg entdecken Sie Ottens Gastwirtschaft und die alte Schmiede. Hier ist jedoch keine Ampel zum Queren der Straße vorhanden.